KOMM-Bildungsbereich

1990 - 1999

"KOMMbauART"

Bild: Kunst am Bauzaun © unbekannt

Das durch Bombenanschläge des zweiten Weltkriegs zum Teil nur notdürftig restaurierte KOMM-Gebäude sollte 1996 in einem insgesamt 16 Monate andauernden Zeitraum grundsaniert werden. Damit aber Nürnbergs Bevölkerung nicht auf Aktivitäten des KOMM verzichten musste, wurden verschiedene kulturelle Aktivitäten geplant, zu denen unter anderem auch die Veranstaltung "Kunst am Bauzaun" zählte. Dabei sollten KünstlerInnen aus dem Nürnberger Großraum den Bauzaun rund um die Baustelle gestalten.

In den Focus der Veranstaltung rückten vier Ziele:

  • die Diskussion um Gemeinsamkeit und Unterschiede von Soziokultur und bildender Kunst darzustellen,
  • die Diskussion um Kunst und Kultur wieder einmal in die Öffentlichkeit zu tragen, indem der öffentliche Raum bespielt wird,
  • mögliche neue Kooperationen und Vernetzungen zwischen Kunst und Soziokultur, aber auch zwischen den KünstlerInnen zu fördern und
  • die verlorene Ausstellungsfläche während der Sanierungsmaßnahmen zu kompensieren und den BürgerInnen das Signal zu geben, ",wir sind noch da und arbeiten weiter".
Foto eines Bildes mit einem Mann © unbekannt

Neben diesen vier, von Anfang an geplanten, Intentionen kam eine weitere hinzu, die in ihrer Brisanz die ursprünglichen Intentionen fast an den Rand drückten. Der durch die Kommunalwahlen im März '96 erfolgte Regierungswechsel von rot/grün hin zu einem sogenannten bürgerlichen Block, hatte auch Auswirkungen auf das KOMM. Bereits im Wahlkampf hatte die CSU im Falle eines Wahlsiegs gedroht das "KOMM platt zu machen". Nun an die Regierung gekommen, musste etwas in diese Richtung geschehen. Die Verantwortlichen im KOMM trafen die Entscheidung ein Bürgerbegehren zum Erhalt des KOMM in seiner bisherigen Form einzuleiten. Damit wurde jegliche Entscheidung seitens des Stadtrates zum Thema des Bürgerbegehrens unterbunden. Die Aktionen am Bauzaun wurden in dieser Zeit somit auch dazu genutzt, um mit den BürgerInnen zum Thema KOMM in Kontakt zu kommen.

Eröffnet wurde die "KOMMbauART" am 30.Juli 1996 von der Autonomen Nürnberger Akademie (ANA), ein Zusammenschluss von verschiedensten KünstlerInnen in Nürnberg, die sich durch die offiziellen Künstlerorganisationen weniger repräsentiert fühlten.
Gegründet hatte sich die Künstlergruppe ANA Mitte der achtziger Jahre aus einer spaßigen Laune heraus, die auch in ihrem Programm erhalten blieb. Für sie stand im Vordergrund ihrer Arbeit, dass sie selbst Spaß an der Aktion haben und diesen Spaß auch an die BetrachterInnen weitergeben. Nichtsdestotrotz entbehrten die Arbeiten nie die Ernsthaftigkeit mit der Kunst den gesellschaftlichen Alltag reflektiert.

Foto des Bildes Brustbild © Daniela Jüttner

Geplant war eine Musikperformance, eine Kunstperformance und natürlich die ersten bemalten Bilder am Bauzaun. Angelika Reinecke führte ihre Performance "Mann in Blau" auf, bei der sie eine in Mullbinden verpackte Mumie enthüllte, aus der sodann ein nackter Mann, blau bemalt hervortrat, über den Bauzaun stieg und entschwand. Währenddessen stellte der Künstler und Grafiker Otto Normal sein Objekt "Systeme" fertig, dass sechs identische Polizeibeamte in voller Einsatzmontur darstellte, wie sie gewöhnlich bei Einsätzen bevorzugt werden, wo mit der Konfrontation des zur eigenen Meinung gelangten Staatsbürgers zu rechnen ist. Er verwendete dafür eine komplizierte Spritztechnik, für die zahlreiche Vorarbeiten getätigt und Schablonen selbst erarbeitet und zurecht geschnitten werden mussten.

Foto des Bildes Systeme © Otto Normal

Etwa eine Woche nach der Eröffnung wurde direkt über dem KOMM-Eingang eine Plastik des Nürnberger Künstlers Werner Schaarmann aufgehängt. Eine geschliffene scharfe Kante aus Silber blitzendem massiven Stahl, etwas mehr als 30 kg schwer und mit dem Titel "Le Grand Rasoir" - Das große Rasiermesser. Ein eindeutig zweideutiger Titel in Bezug auf das KOMM, und auf die Lage der Soziokultur in Nürnberg nach dem Regierungswechsel, der viele Kulturschaffenden fürchten ließ, dass ein großes Rasiermesser wüten würde und die Kultur jener corpus sein würde, den man etwas stutzen wolle.

Des weiteren beteiligte sich die AG 303 an diesem Projekt. Sie ist eine KünstlerInnengemeinschaft, die zusammen ein Atelier auf dem Gelände eine ehemaligen US-Kaserne teilen. Ihre Beiträge verstehen sich zunächst weniger als politische, denn als rein von künstlerischen Anspruch beseelte. Meint man überhaupt eine politische Aussage darin finden zu können, dann ist es die Anrufung von Toleranz und Besonnenheit.
Während es bei der ANA in Objekten wie "Systeme" zu aktuellen Auseinandersetzung um das KOMM, aber auch um die bundesrepublikanischen demokratischen rollback-Erscheinungen geht, versuchen die KünstlerInnen der AG 303 teils in avantgardistischen Farb- und Formexzessen, wie bei dem Werk von Volker Plasa mit dem Titel "Fegefeuer"

Fegefeuer © Volker Plasa

oder dem eher minimalistische Schwarz-weiß Bild "Zwei sich umarmende Männchen" von Manfred Neupert, sich der Gestaltung selbst zu nähern. In seiner Bildbeschreibung erklärt er: "Die Männchen haben Energie, sie können die Welt ändern. Die Männchen tolerieren sich nicht nur, sie interessieren sich für die Andersartigkeit der Miterdenbewohner."

Zwei sich umarmende Männchen © Manfred Neupert

Die beteiligten KünstlerInnen:

Helmut Burghart (ANA), Bill Cultor, Peter Findeisen, Uwe Gerhardt (AG303), Daniela Jüttner, Claudia Kirchner (AG303), Stefan Kollert (AG303), Manfred Neupert (AG303), Otto Normal (ANA), Bernd de Payerbrune (ANA), Volker Plasa (AG303), Karsten Reckziegel (AG303), Angelika Reinecke (ANA), Werner Schaarmann, Christian Schneider (ANA), Reinhold Stubenrauch (ANA)

Ausstellung davor