Die Fotografien entstanden größtenteils in den neuen Beitrittsländern. Folgende 15 Fotografinnen und Fotografen sind beteiligt: Günter Derleth, Gerd Dollhopf, Karin Günther, Oliver Heinl, Christian Höhn, Reinhard Kemmether, Lajos Keresztes, Herbert Liedel, Jutta Missbach, Horst Schäfer, Petra Simon (Klang von Michael Pfisterer), Thomas Sternberg und Herbert Voll.
Die alten Grenzen zwischen Ost und West sind aufgehoben. Entgrenzung verbindet! Die Neugier wächst. Welche Traditionen, kulturellen Selbstverständlichkeiten und Originalitäten bereichern von nun an das europäische Haus? Eine Spurensuche, in der die Besucher der Ausstellung Neues und Altes, Ungewohntes und Gewöhnliches, Spannendes und Alltägliches entdecken werden.
Fotos und Informationen zu den einzelnen Konzepten der Fotografen:
Günter Derleth
Gerd Dollhopf
Karin Günther
Oliver Heinl
Christian Höhn
Reinhard Kemmether
Lajos Keresztes
Herbert Liedel
Jutta Missbach
Horst Schäfer
Petra Simon & Michael Pfisterer
Thomas Sternberg
Herbert Voll
Günter Derleth beobachtete mit einer im Auto angebrachten Lochkamera "Grenzflüsse - Flussgrenzen an Oder und
Neiße": Die Aufnahmen mit dieser Kamera wirken mystisch, alles Bewegte erscheint licht und durchscheinend. Diese
Arbeitsweise führt zurück zu den Wurzeln der Fotografie. Die Bilder entstanden über einen längeren
Zeitraum und wurden nicht nachbearbeitet. So soll für den Betrachter der Fluss der Zeit sichtbar werden.
Gerd Dollhopf reiste an den Grenzen der neuen Beitrittsländer, um im Stil künstlerisch betonter
Farbreportagefotografie Fragen nach Abgrenzung, Eingliederung und Veränderung aufzuwerfen. Es entstanden Bilder, die
im übertragenen Sinne "Ideale und Idole" aus unterschiedlichen Zeiten, unterschiedlichen Ideologien oder einfach
unterschiedlichen Lebensformen und -vorstellungen zeigen und zueinander in Bezug setzen.
Karin Günther war mit ihrer Kamera auf der Kurischen Nehrung in Litauen unterwegs. Diese ist eine der
faszinierendsten Landschaften Europas - gleichzeitig Unesco-Kulturgut und Nationalpark. Auf dieser Landzunge beeindrucken
hohe Wanderdünen und farbenfrohe Fischerhäuser. Ostpreußische Vergangenheit und litauische Gegenwart
begegnen sich hier.
Ein ganzes Dorf war der Gegenstand der Arbeit von Oliver Heinl, denn er portraitierte jeden einzelnen Bewohner von
Chrbonín in Südböhmen/Tschechien. Die Menschen erzählten von ihren Hoffnungen, ihren Wünschen und
Geschichten aus dem Alltag. So entstand eine beeindruckende Bildserie von über 100 Menschen, die entweder vor geliebten
Gegenständen oder an ihren Lieblingsorten fotografiert wurden. In der Ausstellung wird eine Auswahl dieser Arbeit
gezeigt.
Christian Höhn zeigt eine Portraitserie mit ein bis zwei Personen pro neuem Beitrittsland, die jetzt in Nürnberg
leben. Der Hintergrund der schwarzweißen Portraitbilder - in düsteren, fast antiquierten Farben gehalten
- bietet jedoch keine Anhaltspunkte bezüglich der Herkunft des Portraitierten; im Zentrum steht der Mensch.
Reinhard Kemmether zeigt Reisebilder aus Polen vom Sommer 2004. Die Bilder erzählen Geschichten aus dem
Alltagsleben nach dem EU-Beitritt und geben landschaftliche und architektonische Stimmungen unseres östlichen
Nachbarn wieder.
Zwei großformatige, minimalistische Arbeiten des Fotografen Lajos Keresztes ergänzen sich gegenseitig. Sie
verhalten sich komplementär zueinander, jedoch nicht widersprüchlich. Damit entsprechen sie den Prinzipien des
"Yin und Yang", ursprünglich ein kosmologischer Begriff in der chinesischen Philosophie. Zwei einander
ergänzende und bedingende Prinzipien, die als Urkräfte alles Leben durchdringen. Sie symbolisieren die
Polarität archetypischer Gegensätze in der Natur und dem menschlichem Leben: "positiv - negativ,
stark - schwach, hell - dunkel, männlich - weiblich, hart - weich". Das Tai-Chi-Symbol (oder Yin-Yang)
repräsentiert eine Auffassung der Welt als System ständiger Veränderung.
Ein "Rasendes Europa" ist der gedankliche Hintergrund zu Herbert Liedels Farbbildern. Die eingehende
Beschäftigung des Fotografen mit stark differierenden Geschwindigkeitsvorschriften und mangelnden Tempolimits in den
Ländern der EU soll Einblicke in die ökologischen, sozialen und wirtschaftlichen Folgen der EU-Erweiterung
geben; die Bilder stehen als Sinnbild für die Bedrohung durch ungebremste Kommerzialisierung und Technisierung. Zu
fiktiven Verkehrsschildern umgewandelte, teils zerstörte Ahnenbilder auf Grabsteinen in Tschechien lassen
Assoziationen zu Todesursachen und Anonymität der Opfer zu.
"Europa, das ist einfach zuhause." So sieht es eine der von Jutta Missbach portraitierten Polen, die auch Fragen
der Fotografin beantworteten. Daher wird auch die Präsentation der querformatigen Schwarzweiß-Portraits durch
die jeweiligen Statements, Ansichten, Wünsche oder Hoffnungen der Portraitierten ergänzt und somit ein
Stimmungsbild des Landes nach dem Beitritt gezeichnet.
Horst Schäfer ist mit zwei Bildserien vertreten: Die Bilder "Zauber von Zakopane" entstanden im polnischen Teil
der Karpaten und zeigen Architektur und Natur. Die Serie "In den Straßen von Krakau" widmet sich den Menschen im
Straßenbild der Stadt.
Die Autoren Petra Simon und Michael Pfisterer stellen zeitgleich Standbilder der lokalen Nachrichtensendungen
der zehn neuen EU-Beitrittsländer und der BR-Rundschau gegenüber. Das Ergebnis ist spannend in vielerlei
Hinsicht. Wie ähnlich sind sich die Bilder, wodurch unterscheiden sie sich, inwiefern kann Mentalität und
Eigenart des jeweiligen Landes in den einzelnen Standbildern sichtbar gemacht werden? Dazu entstand eine Video- und
Audiocollage im Stil eines Musik-Video-Clips, die nochmals die einzelnen aufgezeichneten Nachrichtensendungen artifiziell
verarbeitet und Fernsehen ohne Grenzen zur Realität werden lässt.
Thomas Sternberg zeigt in der Serie "Öffentliche Bilder" eine Symbiose aus Architektur und werblichen
Bildbotschaften. Aufnahmen aus räumlicher und zeitlicher Nähe stehen ohne Zwischenräume nebeneinander und
nehmen aufeinander Bezug.
Herbert Voll präsentiert drei Serien in dieser Ausstellung. Die erste Schwarzweiß-Serie zeigt Fotos aus dem
Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz. Der Ort, der als Synonym für den Zivilisationsbruch der Menschheit gilt,
wird auch dem neuen Europa immer Mahnung und Gedenken sein. Die zweite Schwarzweiß-Serie stellt
Straßenmusikanten in Krakau vor. Die dritte Serie, in Farbe gehalten, offenbart den maroden Charme des alten Krakau
und stellt es dem neuen gegenüber.