KOMM-Bildungsbereich

Pressestimmen – ‘tierischmenschlich

Die Foto-Welt auf den Kopf gestellt - Nürnberger Zeitung - 03.12.08

Camera obscura? Die macht doch so eigenartige Schwarzweiß-Bilder, die nur in der Bildmitte scharf sind und nach außen ins Unscharfe zerfließen. Mit der Digitalkamera aufgenommene Fotos dagegen zeichnen sich durch technische Perfektion aus. - Stimmt wohl beides in der Regel, nicht aber, wenn zwei Fotografen wie Günter Derleth und Rudi Hilmar Ott hergehen und die Foto-Welt auf den Kopf stellen. Genau das tun sie in ihrer neuen Ausstellung “tierischmenschlich” im Künstlerhaus K4 im KunstKulturQuartier, die vom Komm-Bildungsbereich veranstaltet wird.
Beide Fotografen setzen sich mit der Technik der Lochkamera auseinander, knüpfen daran an, kopieren sie aber nicht, sondern entwickeln sie weiter. Günter Derleth, 1941 in Nürnberg geboren, hat sich eigentlich auf Werbefotografie spezialisiert. Seit fast 15 Jahren arbeitet er in unterschiedlichsten Projekten mit der Camera obscura. Für die Ausstellung im. K4 geht er einen neuen Weg mit der Lochkamera: Er setzt farbige Bildträger ein und .zeigt nur Ausschnitte seiner Aufnahmen. Die sonst typischen Abdunklungen bzw. Unscharfen in den Randbereichen hat er entfernt. Das Ungewöhnlichste aber sind seine Motive: ausschließlich Tiere. Und das, obwohl Tierfotos wegen der langen Belichtungszeiten mit der Camera obscura eigentlich gar nicht möglich sind.

Präparierte Tiere abgelichtet
Dass Derleth dabei mit einem Trick arbeitet, sieht man erst auf den zweiten Blick: Er setzt ausschließlich präparierte Tiere in Szene, die er so scharf aufnimmt, wie es die Camera obscura erlaubt. Die Fotos sind zwischen 10 und 20 Sekunden lang belichtet. Derleth hat sich Schauplätze wie den alten Atzenhofer Flugplatz ausgesucht, aber auch den Nürnberger Flughafen oder das Knoblauchsland. Der Graureiher in einem vergammelten Kinderschwimmbecken, die Elster auf einem Schrottabladeplatz, die Silbermöwe in einer Altöl-Entsorgungsanlage: Bilder mit einer eigentümlich unwirklichen Atmosphäre.
Auch Rudi Hilmar Ott (geboren 1954 in Fürth) hat den Spieß umgedreht, um den Betrachter zu irritieren. Er macht Fotos mit der Digitalkamera, die wirken, als seien sie mit der Lochkamera aufgenommen: schwarzweiß, mit den schon erwähnten Unscharfen und Abdunkelungen zum Rand hin. Dazu hat er ein spezielles Objektiv verwendet, das solche Effekte ermöglicht. “Ich will die Zeit mit fotografieren”, sagt Ott. Weder seine Fotos noch die von Derleth wurden im Nachhinein bearbeitet.
Inhaltlich konzentriert sich Ott in dieser Ausstellung ausschließlich auf Porträts von Prominenten aus der Region. Die meisten besuchte er zu Hause oder in vertrauter Umgebung. Etwa OB Ulrich Maly, den er in seiner Küche abgelichtet hat - mit Malys Ehefrau Petra im Hintergrund, Giorgio Hupfer im Garten neben seinem Haus in Eberhardshof, Yogo Pausch in seinem Übungskeller, Marktfrau Maria Lieber an ihrem Blumenstand auf dem Hauptmarkt oder Gabriele Pauli, die sich im Schaufenster des Schmuckgeschäfts ihrer Eltern in Zirndorf spiegelt.
Eine Ausstellung, die raffiniert mit den Sehgewohnheiten der Betrachter spielt und sie ad absurdum führt.

Ute Wolf


Augen von Promis und ein Fuchs mit Reifen - Abendzeitung Nürnberg - 03.12.08

Technisches Verwirrspiel: Im Kopfbau des Künstlerhauses zeigt der KOMM- Bildungsgbereich Foto-Kunst von Günter Derleth und Rudi Hilmar Ott.

Die Querverbindung zum Charakterbild fiel dem Format zum Opfer: Als Rudi Hilmar Ott den von ihm porträtierten Giorgio Hupfer fragte, als welches Tier er sich sähe, nannte der Nürnberger Künstler einen Schimmel. Günter Derleth aber, der für die animalische Seite der kleinen Schau “tierisch menschlich” des KOMM-Bildungsbereichs (Kopfbau Künstlerhaus) seine Lochkamera in Position brachte, konnte wegen der Belichtungszeit zwischen zehn und zwanzig Minuten nur Tierpräparate verwenden. Ausgestopfte Gäule waren zu teuer.
Während Ott seinen digitalen Schwarzweiß-Porträts mit einem Schwenkobjektiv verschiedene Schärfegrade abtrotzt und so einem Lochkamera-Ergebnis nahe kommt, widerlegt Derleth das Vorurteil, Bilder der Camera Obscura gäbe es nur unscharf und keinesfalls in Farbe. Sein in Schulkellern aufgestöbertes, präpariertes Kleinvieh konfrontiert er mit der rauen Schönheit Frankens: Der Europäische Igel steht starr und stumm vor einem grauen Stall mit dem Graffito “Der Krieg is aus & jeder hat ein Auto” drauf, ein Rotfuchs hockt vor alten Autoreifen, eine Elster auf verrostetem Gerümpel. Über allem blaut der Himmel so strahlend, als befände man sich an der Cóte d´Azur. Derleth hat nicht nachbearbeitet.
Auch sein einstiger Assistent Ott nicht. Vor allem die Augen seiner Porträtierten haben es Ott angetan. Gewitzt diabolisch grinst Toni Burghart in die Kamera, Hans Meyer hat den Kopf grübelnd in die Hand gestützt, Hermann Glaser scheint den Betrachter voller Elan anzuspringen. Und Ulrich Maly, den Schalk im Blick, schaut, als hecke er seine nächste Pointe aus.

Georg Kasch


Von Tieren und Menschen - Nürnberger Nachrichten - 05.12.08

Fotos von Günter Derleth und Rudi Ott im Glasbau des K4

“Tierisch menschlich” geht es derzeit im Glasbau des K4 in der Königstraße 93 zu:
Der Komm-Bildungsbereich zeigt Fotografien von Günter Derleth und Rudi Hilmar Ott.

Günter Derleth, klar, das ist der mit der Lochkamera. Also gehen die Schwarz-Weiß-Fotografien auf sein Konto, die bunten Tierbilder auf das von Kollege Rudi Ott. Denkste. Die Nürnberger Lichtbildner haben quasi die Rollen getauscht: Von Derleth stammen die farbigen Aufnahmen, gemacht tatsächlich mit der Lochkamera, von seinem ehemaligen Assistenten Ott sind die ausdrucksstarken Porträts, die zum Rand hin unscharf werden - eigentlich ein typischer Camera obscura-Effekt, erzielt allerdings mit einer Digitalkamera.
Seiner Wahrnehmung sollte man also beim Betrachten der kleinen Ausstellung nicht trauen - beziehungsweise lohnt sich ganz genaues Hinsehen. Dann bemerkt man, dass der Luchs auf einem der Bilder seltsam unecht wirkt. “Präparierte Tiere bleiben halt stehen”, löst Derleth das Rätsel trocken auf. Denn wenn sich etwas mit einer Lochkamera nicht festhalten lässt, dann sind es sich bewegende Objekte. Also ließ Derleth in Schulschränken und -kellern nach ausgestopften Tieren suchen und platzierte seine wehrlosen, aber majestätisch aussehenden Opfer draußen in der vom Menschen eroberten Natur, hauptsächlich am Atzenhofer Flughafen. Die unscharfen und abgedunkelten Ränder schnitt er einfach weg.
Den prominenten Tiervertretern wie Feldhase, Stockente und Silbermöwe setzt Rudi Ott prominente Menschen aus der Region entgegen. Sehr persönliche Porträts sind entstanden. Teils witzige, wie das des Künstlers Toni Burghart und jenes von Oberbürgermeister Ulrich Maly, die beide beinahe teuflisch dreinblicken; aber auch berührende, wie das Bild des blinden Musikers Heinrich Hartl, der sich fast zärtlich die Finger vor die Augen hält. 20 Minuten bis zu mehrere Stunden hat Rudi Ott bei den Porträtierten zuhause verbracht. Voraussetzung; “Ich habe nur Menschen fotografiert, die mir sympathisch sind.” Das merkt man den Aufnahmen, die sofort in Kontakt mit dem Betrachter treten, auch an. Ihre Faszination hat Toni Burghart wohl am treffendsten zusammengefasst: “Man hat das Gefühl, du hast die Zeit fotografiert.”

Susanne Helmer


In jedem Schuhkarton steckt ein Fotoapparat - Nürnberger Stadtanzeiger - 14.01.09

Günter Derleth zeigt, wie aus einfachen Mitteln Lochkameras gebaut werden können - Bei der historischen Technik ist “alles erlaubt”
Mal anders und mit einer alten Schachtel fotografieren: Im “Lochkamera”-Kurs im Kulturzentrum K4 (im Künstlerhaus) hat Günter Derleth gezeigt, wie man mit einfachen Mitteln einen Fotoapparat baut und damit auch noch schöne Bilder machen kann.

Eine ganze Gruppe Menschen drängt sich in dem engen Fotolabor des K4-Kellers um einen Tisch. Der ist bepackt mit zahlreichen alten Schachteln, Zigarrenkisten und Schuhkartons. Oder besser: Mit einer Vielzahl an Lochkameras. Denn Foto-Fan Günter Derleth hat all diese Behältnisse lichtdicht abgeschlossen und Fotopapier eingelegt. In jeder Schachtel gibt es nur ein kleines Loch, durch das Licht hereinfallen kann und damit das spezielle Papier belichtet.
“Wir müssen uns beeilen”, mahnt Derleth seine Teilnehmer, “damit wir noch Sonnenlicht erwischen!”. Foto-Kollege Rudi Ott hantiert konzentriert mit einem Klebeband, um die letzten Lichtlöcher zu verschließen. Schließlich soll jeder Teilnehmer des Kurses einmal selbst etwas mit einer der ungewöhnlichen Kameras fotografieren. “Die Belichtungszeit ist bei einer Lochkamera viel länger als bei einem normalen Fotoapparat.” Statt nur einen kurzen Augenblick muss man eine Belichtungszeit von zehn Sekunden (bei heller Sonne) bis zu mehreren Stunden (im Zimmer) einkalkulieren, um Ergebnisse zu erzielen.

“Überraschen lassen”
Weitere Schwierigkeit: Es gibt keinen Sucher, durch den der Fotograf blicken kann. Er weiß also nicht genau, was die Kamera sieht. “Einfach an einen guten Platz aufstellen, Loch öffnen und überraschen lassen.”
Dieses Zufallselement, diese Abwendung von dem durchgeplanten Foto ist es, die Derleth und viele seiner begeisterten Schüler hier zur Lochkamera gebracht hat: “Es gibt einfach keine Regeln”, betont Derleth. “Alles ist erlaubt.” Und das kann man ruhig wörtlich nehmen, immerhin hat der Kursleiter schon ganze Stadtteiltürme zu riesigen Lochkameras umgebaut, die dann fünf Meter große Panoramen lieferten. “Oder man kann ein Auto lichtdicht machen und dann daraus eine Lochkamera bauen oder das eigene Wohnzimmer oder ...”
Doch so große Brötchen werden bei diesem ersten Workshop nicht gebacken: Stattdessen eilen die Teilnehmer mit ihren Schuhkartons an die Pegnitz oder zum Gewerbemuseum. Auch das Grand Hotel nebenan ist ein beliebtes Motiv: Hauptsache hell und ruhig, denn Sachen die sich bewegen, sind bei den langen Belichtungszeiten der Lochkamera kaum zu fotografieren.
Schließlich treffen sich alle wieder in der von Rotlicht erhellten Dunkelkammer und warten mit Spannung darauf, was im Entwicklerbad entsteht. Und siehe da: Neben ein paar verschwommenen oder ganz schwarzen (also überbelichteten) Negativen sieht man auch erstaunlich treffsichere Aufnahmen von Bäumen und Gebäuden.
“Man darf von der Lochfotografie keine Meisterwerke erwarten”, meint Derleth bescheiden. Aber die Bilder mit der einfachen Technik des 19. Jahrhunderts entfalten einen eigenen Charme. “Eine eigene Lochkamera zu bauen ist ganz einfach”, meint er. “Im Internet findet man jede Menge praktische Anleitungen.” Und wer einen Eindruck erhalten will, was alles möglich ist, der kann bis 20. Januar die Ausstellung “tiersichmenschlich” von Günter Derleth und Rudi Ott im 1. Stock des K4 besuchen. Sie zeigt besonders schöne Lochkamerabilder und solche, die digital den Stil nachahmen.

Peter Romir