Schau gegen das Vergessen
Nürnberg - Knapp 400 Exponate - das ist die Ausbeute von Herbert
Kolbs bewegten Leben. Sein Leben - das spielte sich vor allem in
Angst und Verzweiflung ab. Denn der heute 80-Jährige wurde
als Kind einer jüdischen Familie von den Nazis verfolgt und
überlebte mehrere Konzentrationslager. Mit seiner Ausstellung
im Nürnberger Kulturhaus K4 will er davon erzählen.
"Der Dank des Vaterlands ist Euch gewiß!" - Das
ist der Titel der Ausstellung, die noch bis zum 15. Juni im K4 zu
sehen sein wird. "Ich konnte keine bessere Überschrift
finden, als dieses Versprechen der deutschen Regierung an ihr Volk
im ersten Weltkrieg", erklärt der gebürtige Nürnberger
die Spannung zwischen Titel und Inhalt der Ausstellung.
Inhalt der Ausstellung - das sind vor allem sehr persönliche
Dinge aus dem Leben des heute in Amerika lebenden Rentners. Die
26 Tafeln zeigen ebenso Fotos, gefälschte Papiere und Sterbelisten
wie Zeichnungen von Konzentrationslagern und einen 60 Jahre alten
Rucksack, den Herbert Kolb retten konnte.
Authentisch - so wirkt die Ausstellung auf den Besucher. Schließlich
waren die meisten Menschen, von denen die Schau erzählt, enge
Bekannte Herbert Kolbs.
"Ich bin sicher, wer sich die Ausstellung genau anschaut,
wird einige Tränen vergießen." Das dürfte angesichts
des Abschiedsbriefs, den seine Schwiegermutter kurz vor dem Transport
nach Auschwitz an ihren 12-jährigen Sohn schrieb, nicht schwer
fallen.
Quelle: Nordbayern Infonet 27.5.2003
Der 81-jährige Herbert Kolb sammelte persönliche Dokumente des Holocaust. Zeugnisse einer traurigen Kindheit. Bewegende Ausstellung im Künstlerhaus - Aquarelle zeigen das Leben im KZ
"Der Dank des Vaterlands ist Euch gewiß!" Mit diesem
Satz hat Herbert Kolb seine Sammlung von persönlichen Dokumenten
zum Holocaust überschrieben. Es sind Zeugnisse der Verfolgung,
Unterdrückung, Demütigung und des Todes, aber auch Ausdruck
des übermenschlichen Überlebenswillens. Kolb, 1922 in
Nürnberg als Sohn des einstigen Sekretärs der Israelitischen
Kultusgemeinde, Bernhard Kolb, geboren, stellt sie bis zum 15. Juni
im Kopfbau des Künstlerhauses, Königstrasse 1, aus. Sie
werden erstmals in Deutschland gezeigt.
Warum nimmt ein Mann mit 81 Jahren die beschwerliche Reise von
New Jersey (USA) nach Nürnberg auf, um hier seine ganz persönliche
Sammlung zutiefst anrührender Dokumente zu zeigen? "Auch
heute noch, 70 Jahre, nachdem die Gewaltherrschaft der Nationalsozialisten
an die Führung des Deutschen Reiches kam, ist es mir unverständlich,
in welch kurzer Zeit es möglich war, diese politischen Kriminellen
an die Spitze zu stellen." Herbert Kolb kann auch nicht verstehen,
dass es möglich war, "ein Volk, das als zivilisiert galt,
so aufzuhetzen, dass dieses selber nicht nur mitmachte, sondern
sich auch noch dieser scheußlichen Tat rühmte".
Mit seiner Ausstellung, unterstützt durch das Stadtarchiv
und das Künstlerhaus, will er seine eigenen Erlebnisse "während
dieser zwölf fast unbeschreiblichen Jahre meiner Kindheit und
Jugend" darstellen. Dazu gehören euphorische Briefe deutscher
Soldaten an das Hetzblatt "Stürmer", in denen diese
sich rühmten, bei der Ermordung von Juden geholfen zu haben.
Dazu gehört aber zum Beispiel auch ein kleines Holzpferd, das
Kolb als Jugendlicher im Lager Theresienstadt geschnitzt und gegen
ein Viertel Laib Brot getauscht hatte. Er zeigt Zeichnungen und
Aquarelle, mit denen er das Leben im Konzentrationslager festgehalten
hatte. Oder den gefälschten Ausweis seiner späteren Frau,
den die 18-Jährige von einem französischen Beamten bekam,
um ihr Leben zu retten.
Die Sammlung zeigt "auf der einen Seite nichts wie Grausamkeiten,
auf der anderen Seite aber viel über den Willen zu überleben",
betont Kolb. Die Familie war 1943 nach Theresienstadt deportiert
worden. Er und seine Eltern überlebten, seine Schwester und
sein Schwager starben in Bergen-Belsen oder in dem KZ-Außenlager
Kaufering. Den letzten Brief seines Schwagers kann man in der Ausstellung
nachlesen. "Vielleicht werden Sie sogar eine Träne vergießen,
wenn sie den Abschiedsbrief meiner Schwiegermutter an ihren zwölfjährigen
Sohn lesen, ehe sie in den Transport nach Auschwitz kam und dort
ermordet wurde", sagt Herbert Kolb.
Zur Eröffnung der Ausstellung kamen gestern auch Weggefährten
des gebürtigen Nürnbergers. Ein Freund aus Berlin, der
mit ihm ein Jahr lang in Berlin das Grafikhandwerk gelernt hatte,
oder eine Jüdin, die mit ihm eine Zeit lang im Lager verbracht
hatte. Eine Zeitzeugin entdeckt auf dem Foto der überlebenden
jüdischen Bürger aus Nürnberg Freunde und zeigt sie
bewegt ihrem Enkelsohn.
Herbert Kolb gehörte zu den wenigen überlebenden Nürnbergern.
Er wanderte 1946/47 mit seinen Eltern nach Amerika aus. Seine Kunst,
mit Holz umzugehen, setzte er in der Wahlheimat ebenso beruflich
ein wie seine grafischen Fähigkeiten. Die Eltern betrieben
eine Hühnerfarm. Zusammen mit seinem Vater hat er quasi ab
1933 Dokumente des Nazi-Terrors gesammelt - und damit nach 1945
auch nicht aufgehört.
Bis zum 30. Mai will Herbert Kolb Besucher persönlich durch
die Sammlung führen. Nach Ende der Ausstellung gehen die Dokumente
zurück in die USA. Das Stadtarchiv hofft noch auf Spender,
die eine Digitalisierung der Objekte finanzieren, damit sie in den
Bestand des Archivs übergehen.
Quelle: Nürnberger Nachrichten 28.5.2003
Ausstellung im Künstlerhaus erzählt von der Verfolgung des früheren Nürnberger Bürgers Herbert Kolb. Selbst gute Bekannte glaubten den Parolen. Sohn des Kultusgemeinde-Sekretärs erlebte die Ausgrenzung und Verfolgung von Anfang an mit.
Hier werden die Abgründe der deutschen Geschichte gezeigt,
aber auch Dokumente des unerschütterlichen Willens, zu überleben:
Die gestern eröffnete Ausstellung "Der Dank des Vaterlandes
ist Euch gewiß" zeigt den Terror und die Verfolgung durch
das Naziregime anhand des Schicksals einer jüdischen Familie
aus Nürnberg auf.
"Meine eigenen Erlebnisse als Jude in Deutschland während
dieser zwölf fast unbeschreiblichen Jahre meiner Kindheit und
Jugend" seien in der Ausstellung im Kopfbau des Künstlerhauses
dargestellt, berichtete gestern Herbert Kolb. Der 1922 in Nürnberg
geborene Sohn des Sekretärs der Israelitischen Kultusgemeinde
hat zusammen mit seinem Vater die Jahre der Ausgrenzung genauso
dokumentiert wie die Verschleppung nach Theresienstadt. Nach dem
Ende der Schreckensherrschaft wanderte er nach Amerika aus, sammelte
aber weiterhin Zeugnisse des Holocausts. Die Anregung zu der Ausstellung
in Nürnberg kam von Stadtarchiv-Mitarbeiter Gerhard Jochem,
der mit dem ehemaligen Nürnberger schon seit einigen Jahren
in Kontakt stand.
"Ich war nicht ganz elf Jahre alt, als ich erfahren musste,
dass ich anders war als meine Mitschüler", erzählte
Kolb gestern aus seinem Leben. Besonders bitter empfand er, dass
auch gute Bekannte die Propagandalügen der Nationalsozialisten
glaubten. Auf die Frage: "Du kennst mich doch seit vielen Jahren,
wie kannst Du diese Hetzpropaganda glauben?" kam bloß
die lapidare Antwort: "Wir meinen doch nicht Dich, sondern
wir meinen die anderen Juden!"
Welche Formen der Rassenwahn noch annahm, zeigen Briefe an den
"lieben Stürmer", die dem Streicher‘schen Hetzblatt
willig Munition für seine Propaganda lieferten.
Bedrückende Zeitdokumente sind auch Bilder, die Kolb und
andere Verfolgte in den Konzentrationslagern anfertigten. Zum Teil
entstanden die Gemälde im Auftrag der SS-Dienststelle und hatten
zu zeigen, wie "schön" es die Gefangenen hatten.
Als Gegenpol zu diesem falschen Schein sind auch Gegenstände
wie eine primitive Waage zu sehen, mit der sich die Lagerinsassen
ihre spärlichen Brotrationen teilen mussten.
Kulturreferentin Julia Lehner hob die Unmittelbarkeit der Ausstellung
hervor, die so nur von einem direkten Zeugen der Schrecknisse dargestellt
werden könne. Die Schau biete einen Schlüssel für
die Frage, wie die Mechanismen des Nationalsozialismus funktioniert
hätten.
"Der Dank des Vaterlandes ist Euch gewiß" – der
Name ist eine Anspielung auf eine Parole aus dem 1. Weltkrieg, als
viele jüdische Soldaten für Deutschland kämpften
– ist noch bis zum 15. Juni im Ausstellungsbereich des Künstlerhaus-Kopfbaus
(Königstrasse 93) zu sehen. Öffnungszeiten sind montags
bis samstags von 13-19 Uhr und sonntags von 13-17 Uhr.
Herbert Kolb wird noch in den kommenden Tagen für Führungen
durch die Ausstellung zur Verfügung stehen. Informationen dazu
erteilt das K 4 im Künstlerhaus unter 2 31-85 89.
Damit diese Zeugnisse Nürnberger Geschichte nach Ende der
Ausstellung nicht in Vergessenheit geraten, sucht das Stadtarchiv
derzeit noch nach Sponsoren für ein Projekt, mit dem die Zeit-Dokumente
auf elektronischen Medien festgehalten werden können.
Quelle: Nürnberger Zeitung 28.5.2003