KOMM-Bildungsbereich

Pressestimmen – ‘Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht 1941-1944’

Der Titel ist zu "reißerisch" – Nürnberger Zeitung - 16.10.1996

CSU-Fraktion diskutierte über Wehrmachts-Ausstellung
Die Bewertung der Ausstellung "Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht 1941 bis 1944", die derzeit in der Norishalle gezeigt wird, hat in der CSU-Fraktionssitzung zu einer heftigen Debatte geführt.

Obwohl Oberbürgermeister Ludwig Scholz und der Fraktionsvorsitzende Klemens Gsell erklärt hatten, "die CSU-Stadtratsfraktion lehne den Besuch dieser einseitig ausgerichteten, die Rolle der Wehrmachtsangehörigen pauschal diffamierenden Ausstellung ausdrücklich ab" (die NZ berichtete), hatten Bürgermeisterin Helen Jungkunz, der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Roland Fleck und einige andere CSU-Stadträte an der Eröffnung der umstrittenen Ausstellung teilgenommen und Kritik an der überzogenen Reaktion ihrer eigenen Parteispitze geübt.
Hinter verschlossenen Türen sprachen sich die Befürworter der Ausstellung und die Gegner, angeführt von den Vertretern des wehrpolitischen Arbeitskreises, am Montag abend aus. Gsell erläuterte, daß letztlich zwei Kritikpunkte bestehen blieben. Zum einen sei der Titel zu reißrisch, Stadtrat Max Höffkes argumentierte, daßdie Schau besser mit "Verbrechen in der Wehrmacht" überschrieben wäre, da niemand bestreite, daßes diese gegeben habe. Als zweites bemängelte die CSU, daßdas Beiprogramm, das in Nürnßrg vom Komm verantwortet werde, nicht "differenziert genug" sei und die Ausstellung nicht in den Zusammenhang einbette, den die Bundeswehr empfohlen habe. Gsell betonte der NZ gegenüber, daßer selbst sich die Dokumentation in der Norishalle in den nächsten Tagen ansehen wolle.
Der CSU-Fraktionsvorsitzende wehrte sich auch gegen Vorwürfe, seine Partei ginge nicht sensibel genug mit Nürnbergs Vergangenheit im Nationalsozialismus um. Gsell sagte, die Jahre 1933 bis 1945 seien ein "wichtiger, aber nicht der allein entscheidende" Teilaspekt einer beinahe 950 Jahre zurückreichenden Stadtgeschichte. Beim Jubiläum im Jahr 2000 werde man diesen Teilaspekt in den entsprechenden Kontext stellen,

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"Keine Verurteilung aller Soldaten" – Nürnberger Nachrichten 21.10.1996

"Lorenzer Kommentare" zu der umstrittenen Ausstellung über Verbrechen der Wehrmacht
Plädoyer für vorsichtige, aber klare Benennung allen Unrechts und für breiten Konsens in der Gesellschaft

Der Wahrheit ins Gesicht zu sehen, ist oft schmerzhaft, aber nur sie führt zur Freiheit Unter diesem Leitgedanken packte die Gemeinde St. Lorenz gestern ein heißes Eisen an: In der Reihe ihrer monatlichen Kommentargottesdienste lud sie zum Nachdenken und zum Gespräch über die kürzlich eröffnete und heftig umstrittene Ausstellung über Verbrechen der Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg an Beispielen aus Rußland und Jugoslawien ein.
"Auch ich war als Soldat in Rußland, dann in Jugoslawien und später in Italien und habe von all den Greueln wirklich nichts mitbekommen", versicherte ein Besucher in der Kirche. Er habe "die Lüge" von der weißen Weste der Armee ebenfalls geglaubt, bis ihn jetzt die in der Ausstellung gezeigten Beweise wie Tagesbefehle und anderen Dokumente "tief erschüttert und beschämt" haben, gestand er freimütig. Keiner könne das Dargestellte als übertrieben oder gar erfunden abtun. Das Leid aber setzt sich bis in die Gegenwart fort, schon weil die Kinder der damals unfreiwillig oder mit Überzeugung Krieg führenden Generation die verdrängte Wahrheit oftmals nicht wachrufen durften. "Mein Vater, der bei der Waffen-SS war, hatte später immer ein krankhaft gutes Gewissen und nie eine Möglichkeit zur Bekehrung", berichtete eine Frau.
So habe sich bis heute kein wirklich breiter Konsens darüber gebildet, was damals alles geschehen ist und warum, beklagte der Lorenzer Pfarrer Rudolf Koch. "Das bezahlen wir heute mit Nazi-Parolen, mit Gewalt, mit ausländerfeindlichen Ausschreitungen und der Anfälligkeit gerade junger Menschen für das rechtsextreme Gedankengut" Im Kontakt mit Schülern erlebe er das in erschreckender Weise.
Besonnene Töne
Nach dem politischen Eklat um die Eröffnung - die CSU hatte ihre Teilnahme verweigert - und der Welle der Empörung in Leserbriefen gegen die Präsentation wurden in St Lorenz besonnenere Töne angeschlagen. Damit nicht lauter Mißverständnisse echtes Verstehen unmöglich machen, empfahl Koch "Nachsicht Vorsicht, eine fragende Haltung, aber auch eine klare Sprache" als Maßstäbe für den Umgang mit den "Verstrickungen". Statt um Vorwürfe und Anklagen gehe es darum, Unrecht zu benennen, nichts zu beschönigen und die Erinnerung - gerade auch an die Opfer - wachzuhalten. Schließlich müsse ein sorgsamer Umgang mit der Sprache verhindern, daß aus schludrigem Gerede etwa über "Herumtreiber" neues Unrecht erwachsen könne.
Matthias Dachwald vom Komm-Bildungsbereich versicherte für die Organisatoren, es sei keineswegs Absicht der Ausstellung in der Norishalle, pauschal alle früheren Wehrmachtsangehörigen zu verurteilen. Die Beispiele von Verbrechen zielten vielmehr auf "die" Wehrmacht als Institution, die Hitler selbst als "zweite Säule des NS-Staates" bezeichnet hatte. Zudem richte sich die Präsentation der "schon länger bekannten Forschungsergebnisse" gegen alle Vertuschungsversuche und Legenden.
Als einer, der mit dem Fahneneid zugleich "Gott verleugnet" habe, gehöre er wie die meisten Deutschen jener Zeit zur "Gemeinschaft der Bösen", stellte sich der Theologe und Psychotherapeut Wynfrith Noll vor. Die emotionsgeladene Debatte um die Ausstellung erklärte er damit daß sie die bequeme Möglichkeit zerstöre, die Schuld für alle Untaten auf SA, SS und Sonderkommandos abzuwälzen. Damit sind nahezu alle Familien betroffen, denn wer hatte keinen Angehörigen in Uniform? Durch ihr Gelübde aber waren alle auf Hitler verpflichtet Und obendrein hatten sie - wie eine Besucherin ergänzte - die katholischen Bischöfe zum Kampf gegen den atheistischen Bolschewismus eingeschworen.

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Pfeifkonzert sprengte Mahnwache – Nürnberger Zeitung 26.10.1996

Norishalle: Straßensperre wegen Rangelei zwischen Demonstranten und der Polizei
NPD-Redner konnte sich kaum verständlich machen.

Die Norishalle, in der die umstrittene Ausstellung "Verbrechen der Wehrmacht 1941-44" zu sehen ist, war fast den ganzen Samstagvormittag Schauplatz für eine Auseinandersetzung zwischen einer angemeldeten NPD-Mahnwache mit ca. 20 Teilnehmern und einer an dieser Stelle nicht genehmigten Gegendemonstration des Antifaschistischen Aktionsbündnisses mit rund 70 Teilnehmern. Starke Polizeikräfte verhinderten, daß es zu Übergriffen kam.
Eine knapp eineinhalbstündige Sperre des Marientorgrabens zwischen Prinzregentenufer und Marientor, nach Angaben des Bündnisses zwei durch die Polizei erheblich verletzte Demonstranten und sieben vorübergehende Festnahmen waren die Bilanz.
"Nicht spontan"
Die für den Gewerbemuseumsplatz angemeldete Gegenkundgebung des Aktionsbündnisses fand nach Polizeiangaben nicht statt. Statt dessen versammelten sich nur zehn Meter von der Mahnwache entfernt die Gegendemonstranten. Dies war nach Ansicht der Polizei "keine Spontanversammlung", sondern eine "bewußte Verlagerung der ursprünglich 60 Meter entfernt zugelassenen Gegenkundgebung zur Mahnwache". Deshalb sei gegen den Anmelder der Gegenkundgebung ein Ermittlungsverfahren eingeleitet worden, wurde mitgeteilt Der NPD-Sprecher konnte sich gegen Pfeifkonzerte, Sprechchöre und Buhrufe kaum verständlich machen.
Nachdem aus den Reihen des Aktionsbündnisses Feuerwerkskörper abgefeuert und Eier in Richtung der Mahnwache geworfen wurden, die an der Glastür der Norishalle zerplatzten, ist die Gruppe von Polizeibeamten mehrere Meter weit zurückgedrängt worden. Dabei kam es zu den Körperverletzungen und Widerstand gegen die Polizei; ein Beamter ist von einem Ei im Gesicht getroffen worden. Mehrere Aufforderungen zuvor per Lautsprecher, die Distanz zur Mahnwache zu vergrößern, waren ignoriert worden.
Insgesamt wurden fünf Personen nach Veranstaltungsende vorläufig festgehalten, teilte die Polizei mit, ebenso wie eine weitere Person, die Teilnehmer der Mahnwache attackieren wollte.
Nach Kundgebungsende gegen 11 Uhr zogen etwa 60 Personen zum Polizeipräsidium in die Schlotfegergasse. Eine junge Frau, die dabei beleidigende Parolen gegen die Polizei rief, wurde ebenfalls angezeigt.
Alle einstweilig festgenommenen Personen sind nach der Sachbehandlung wieder entlassen worden, worauf sich die Ansammlung am Präsidium gegen 13.45 Uhr auflöste.

ks